Trauma - ein grosses Wort

19.10.2024

Dieser Text ist auch als Hörfassung verfügbar:
https://drive.google.com/file/d/1GoL2IYShS9uFgwc-jZXjvB6qQtTRR5D-/view?usp=drivesdk

Trauma ist ein «grosses Wort» - aber was ist eigentlich genau ein Trauma?

Kommt das vom Wort «Traum»?

Der Begriff Trauma kommt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt: Wunde

Die meisten Menschen haben vielleicht schon einmal von einem «Schleudertrauma» gehört. Oder wissen, dass ein Trauma entstehen kann, beispielsweise durch einen Unfall oder ein anderes, schlimmes, einschneidendes Lebensereignis. 

Ein Trauma entsteht dann, wenn wir eine für uns bedrohliche Erfahrung machen, die wir nicht vollständig verarbeiten können. Eine Erfahrung, die uns z.B. (völlig) überfordert oder überwältigt. Und wenn wir dann keine Möglichkeit(en) haben oder keine Kapazität, oder zu wenig Kapazität, um diese Erfahrung zu verarbeiten.

Dann kann ein Trauma entstehen und sogenannte «Traumafolgesymptome».

Denn unser Körper ist das «Instrument», mit dem wir unser Leben erfahren und erleben. Das Fühlen, das Wahrnehmen, das Empfinden, läuft alles über unseren Körper, und das Nervensystem übermittelt uns, was im Aussen und auch in unserem Inneren vor sich geht.

Wenn uns dann etwas dermassen überfordert, kommt es zu einer Art Überwältigung. Wie ein Feuer, dass plötzlich nicht mehr gemütlich vor sich hin flackert, sondern zu einem unkontrollierten Feuer wird. Oder wie wenn nicht mehr gemächlich Wasser durch unser Bachbett fliesst, sondern plötzlich eine zu grosse Menge an Wasser kommt, und das Wasser dann unkontrolliert fliesst oder über das Ufer tritt.

Durch ein Trauma tragen wir dann diese Erlebnisse, Ereignisse, Unverarbeitetes, die Vergangenheit, diese Brocken, Lasten und Blockaden mit und in uns herum. Das kostet in der Regel unglaublich viel Energie. Die unerlöste Vergangenheit benötigt und verbraucht dann einen Grossteil unserer zur Verfügung stehenden Kraft und Energie. Und diese Energie ist dann nicht mehr übrig oder so reichlich vorhanden für unser «eigentliches Leben», für unseren Alltag, Beruf, Hobbies.

Beispielsweise fühlen wir dann vielleicht immer eine grosse Anspannung im Körper, oder unsere Emotionen und Gedanken fahren Achterbahn, drehen sich im Kreis, oder wir fühlen uns unwohl, unsicher und nicht mehr so selbstbewusst und selbstsicher, evtl. minderwertig, wir haben vielleicht Ängste, sind überreizt, schnell(er) als vorher überfordert, geraten in Stress. Unser Körper fühlt sich vielleicht eng an, oder wir erleben tiefe Erschöpfung, benötigen oft viel mehr Zeit für Erholung und Regeneration, oder verlieren überhaupt die Fähigkeit, uns wirklich zu erholen, oder merken, dass wir das sowieso nie konnten und gelernt haben, können nicht mehr so viel leisten und schaffen wie vorher, wir fühlen uns vielleicht abgeschnitten vom Leben oder anderen Menschen, sind einsam, verlieren vielleicht die Freude am Leben oder fühlen uns gedämpft, blockiert, gebremst, eingeschränkt u.v.m.

Du kannst dir zum Beispiel ein Bächlein vorstellen. Ursprünglich ist das Bächlein munter und mit Leichtigkeit im Bachbett vor sich hingeflossen. Durch die Welt, seinen Weg. Und plötzlich sind an einer oder vielen Stellen plötzlich Steine, Geröll und andere Blockaden im Bachbett. Die Bedingungen sind nicht mehr so (optimal) wie vorher, und dadurch kann das Bächlein nicht mehr fröhlich und gemächlich plätschernd vor sich hinfliessen. Das Wasser braucht mehr «Kraft», um vorwärtszukommen, um zu fliessen. Es muss den Hindernissen und Blockaden ausweichen, um sie herumschlängeln usw. Oder vielleicht kommt auch plötzlich starker Regen, und das Bächlein verwandelt sich vom ruhigen Fliessen in einen Sturzbach oder ähnlich. Solange der Sturm oder das Gewitter nicht vorüber ist, und solange die grossen Steinbrocken nicht aus dem Bachbett befreit worden sind, kann das Bächlein nicht mehr ungehindert fliessen wie vorher. Die Steinbrocken bleiben also im Bachbett, bis sie jemand entfernt. Bis jemand die Ordnung wieder herstellt und Abhilfe schafft.

Auch bei uns Menschen bleibt die unverdaute Vergangenheit in uns «stecken», wie die Steine im Bachbett, bis wir die Vergangenheit behutsam und achtsam «verdauen» können, bis sie behutsam durch- oder abfliessen kann, bis wir sie befreien, erlösen, integrieren.

Das schaffen wir meist nicht allein. So, wie wir gewisse grosse Möbelstücke in unserer Wohnung nicht alleine verschieben oder zügeln können, z.B. ein grosser schwerer Tisch oder Kleiderschrank, so ist das oft auch bei uns und unserem Trauma der Fall. Das ist kein Makel. Das ist völlig in Ordnung und normal.

Ist dann ein Stein schon viele Jahre im Bachbett gelegen, sollten wir ihn nicht plötzlich in einer Hauruck- oder Nacht- und Nebelaktion wegrollen, denn das Wasser hat sich längst daran gewöhnt und hat gelernt, entsprechend anders zu fliessen und damit umzugehen. Manchmal ist es sogar nötig, das Bachbett behutsam neu zu gestalten, liebevoll umzuleiten oder zu erweitern. Vielleicht eine liebevolle, schöne Abzweigung zu kreieren, wo das Wasser in Zukunft neu und ungehindert durchfliessen kann. Das alles braucht unter Umständen Zeit, aber es lohnt sich.

Trauma bedeutet auch nicht immer ein bestimmtes Ereignis, was man meist als «Schocktrauma» bezeichnet, sondern Trauma kann auch durch viele kleine, aber sich immer und immer wiederholende Situationen über einen längeren Zeitraum entstehen. Wie der Wassertropfen, der den Stein aushöhlt. Das geschieht nicht nach nur ein paar Wassertropfen, die auf den Stein fallen. Aber wenn das über eine längere Zeit passiert, wird der Stein davon geprägt, es macht etwas mit ihm. Der Stein verändert seine Form mit der Zeit. Mit anderen Worten gesprochen könnte man sagen, es entsteht mit der Zeit eine Wunde. Ein Trauma.

Dies ist oft beim sogenannten «Entwicklungstrauma» der Fall. Wenn beispielsweise ein Kind in einer für es unvorteilhaften Umgebung aufwächst, oder in unguten Verhältnissen, einer unguten Umgebung. Du kannst dir z.B. eine Blume vorstellen, die gewisse «Bedingungen» benötigt, um zu wachsen und um gross und kräftig und leuchtend zu werden. Stimmen aber die Bedingungen für diese Blume nicht, wird sie in ihrem Wachstum, in ihrer Entwicklung «gestört» bzw. behindert oder eingeschränkt. Es kann sein, dass eine gewisse Umgebung für die eine Blume gut oder ausreichend gut ist, aber für eine andere Blume überhaupt nicht.

Des Weiteren gibt es auch noch Wunden, die entstehen können, durch z.B. sogenannte «Bindungsbrüche».  Das nennt man dann «Bindungstrauma». Das kann in jedem Alter sein bzw. passieren. Wenn man z.B. im Erwachsenenalter eine Beziehung führt, und von einem Tag auf den anderen verlassen wird, ohne Vorankündigung, aus dem Nichts, ohne Erklärung. Das kann Spuren hinterlassen. Es passiert aber auch sehr oft ein Bindungsbruch kurz nach der Geburt oder in den ersten Lebensmonaten oder Lebensjahren. Zum Beispiel, als früher bei einer Frühgeburt das Kind der Mutter sofort weggenommen wurde und in einen anderen Raum in ein Glas-Bettchen gelegt wurde. Das ist für ein Neugeborenes sehr schlimm, es ist ein krasser Bindungsbruch. Oder es kann auch ein sogenannter Bindungsbruch entstehen, wenn ein Baby nach kurzer Zeit, z.B. nach drei Monaten, in eine Kinderkrippe gebracht wird. Das muss nicht zu einem Trauma führen, aber kann. Das kommt ganz auf das Wesen des Kindes darauf an. Oder es kann auch eine Wunde hinterlassen, ein Bindungsbruch entstehen, wenn die Eltern sich im Verlaufe der Kindheit trennen und scheiden lassen und dann evtl. die Bindung zu einem Elternteil wegfällt oder sehr minimiert wird.

Dann gibt es auch noch sogenanntes «Geburtstrauma» - das kann bei der Geburt entstehen, z.B. wenn eine Geburt sehr herausfordernd ist, oder es Komplikationen gibt bzw. gab.

Als ich noch nichts von Trauma wusste, und auch noch nicht wusste, dass Trauma auch Wunde bedeutet, war ich erstaunt. Denn ich hatte immer ein inneres Bild in mir, bzw. vor meinem geistigen, inneren Auge, das ich manchmal erzählte, um zu beschreiben, wie ich mich zeitenweise oft fühlte.

Nämlich fühlte ich mich manchmal so, als würde ich verwundet auf der Strasse liegen, mit einer offenen Wunde, aber niemand hilft mir. Sondern es war sogar noch so, dass die Menschen einfach an mir vorüber gingen, UND dass die einen sogar noch nachtraten. Manchmal schaffte ich es mit Mühe und Not, mit der Zeit, dass die Wunde ein Müh anfing zu heilen, sich eine kleine, ganz feine, zarte Schutzschicht bildete, und nicht mehr so fest blutete, aber kaum war das der Fall, kam wieder jemand und hat nachgetreten und das Ganze ging von vorne los.

Kein Wunder, wenn man, bildlich gesprochen, verwundet auf der Strasse liegt und keine adäquate Hilfe bekommt. Leider ist einem Menschen Trauma meist nicht unbedingt anzusehen. Viele haben dafür noch keinen «Blick» oder noch zu wenig Kenntnisse darüber. Noch kein Gefühl dafür. Und somit natürlich auch noch keine oder zu wenig Sensibilität.

Trauma heilt, wenn wir uns in einer mehr oder weniger sicheren und stimmigen Umgebung befinden. Wenn wir uns einigermassen wohl und sicher fühlen. Wenn genügend Raum und Geborgenheit da und fühlbar ist. Wenn uns einen Raum, eine Umgebung bereitet wird, die stimmig und richtig und gut ist. Wie gesagt, wenn beispielsweise eine Sonnenblume in einem kleinen Topf in der Wohnung im Schatten oder im Keller oder einem dunklen, feuchten Ort gehalten oder platziert wird, können wir noch so lieb und freundlich zu ihr sein und sie giessen. Das bringt überhaupt nichts. Wir müssen erkennen, was für eine Umgebung für eine bestimmte Blume die Richtige ist. Und natürlich auch für den individuellen, entsprechenden, und evtl. verwundeten Menschen. Wir müssen den Menschen, der uns gegenübersteht (oder sitzt) sehen und erkennen. Seine Individualität, seine Einzigartigkeit.

Deshalb achten wir im Morgenlicht-Coaching® auch sehr darauf, dass du dich in deinem Raum, wo du gerade bist, wohl fühlst. Dass du es dir so gemütlich wie möglich herrichtest.

Es geht dabei nicht nur darum, Altes und Belastendes loszulassen, sondern auch sehr darum, Dinge, die (noch) nicht da sind, die fehlen, die man nie erfahren oder bekommen hat, nachzuholen, nachzunähren und nachzuentwickeln. Speziell beim «Frühkindlichen Trauma» ist das so wichtig. Sprich bei diesen «Wunden» die in der frühen Kindheit entstanden sind, im frühen Kindesalter. Auch wenn wir jetzt bereits erwachsen sind. Unser Körper hat das Trauma gespeichert.

Wenn man z.B. möchte, dass das Bächlein nicht mehr überschwemmt wird, oder an ein anderes Ort hinfliesst, ist es manchmal nötig, das Bachbett behutsam zu erweitern, oder eine neue Bachbettabzweigung zu bauen, wo das Wasser in Zukunft durchfliessen kann. Nicht immer geht es nur darum, «nur» den oder die Steinbrocken wieder aus dem Bachbett zu entfernen. Wenn das Bächlein immer ein Bächlein war, wird es nicht automatisch irgendwann zu einem Bach. Dafür müssen wir gewisse Dinge nachholen und die entsprechenden stimmigen Bedingungen schaffen. Das Bachbett verbreitert sich sozusagen nicht von alleine. So, wie ein Baby z.B. nicht für sich selbst sorgen kann, sondern auf die Fürsorge der Eltern angewiesen ist, um zu überleben, und um zu wachsen und sich zu entwickeln, so braucht das Bächlein, und unser Körper, oftmals Hilfe und Unterstützung.

Nötige Schritte können nachgeholt werden.

Langsam, achtsam, liebevoll, in Ruhe und Geborgenheit.

Wunden können zu Wundern werden.

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